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10.10.2004

Falken und die Sozialdemokratie

Vor hundert Jahren gründeten sich die ersten Arbeiterjugendvereine. Die SPD-Parteiführung war nicht gerade begeistert.

Käte Strobel, aktive Falkin und spätere Bundesgesundheitsministerin
Käte Strobel, aktive Falkin und spätere Bundesgesundheitsministerin

Als im Oktober 1904 Handwerkslehrlinge in Berlin und Mannheim nahezu zeitgleich die ersten Arbeiterjugendvereine in Deutschland ins Leben riefen, waren SPD und Gewerkschaften etwas ratlos. Die politische Strategie des Parteizentrums um August Bebel und Karl Kautsky sah jugendlichen Elan nicht vor. Beim Warten auf den vermeintlich unvermeidlichen Zusammenbruch des kapitalistischen Systems war eine Jugendorganisation entbehrlich.

Vorbereitung auf politisches Handeln

Bei anderen Strategien passten die Jungen besser ins Konzept. Die Revolutionäre brauchten sie, um das kapitalistische System aktiv zu stürzen. Die Revisionisten und Reformisten brauchten aktive junge Leute, um den Veränderungsprozess der Gesellschaft zu gestalten. Sie erkannten: Gerade wenn sich Jugendliche in eigenen Vereinigungen zusammenschließen, ihre Sonntage gemeinsam auf Wanderungen verbringen, ihre Bildungsarbeit organisieren, in großen Veranstaltungen die skandalösen Zustände in der beruflichen Bildung anprangern, bereiten sie sich am besten auf effektives politisches Handeln vor.

Rekrutenschule der Sozialdemokratie?

1908 nahmen die SPD und die Gewerkschaften die Arbeiterjugendbewegung unter ihre schützend-kontrollierenden Fittiche. Die Bewegung wuchs weiter. Im Sommer 1914 hatte ihre Zeitschrift "Arbeiter-Jugend" 108 000 Abonnenten. In den 20er Jahren wurde die Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ) zu einem sozialdemokratischen Bildungs- und Freizeitverband für die 14- bis 20-Jährigen. Ihre Mitgliederzahl pendelte sich bei 50 000 ein. Die überalterte SPD erkannte die langfristige Bedeutung der "Rekrutenschule der Sozialdemokratie" (Robert Dannenberg 1910) und drückte die Jugendorganisation fest an ihr Herz.

Jede/r dritte Bundestagsabgeordnete kam aus der SAJ

Die Zeit für den Nachwuchs kam nach 1945: Jeder neunte Bundestagsabgeordnete zwischen 1949 und 1969 hatte seine ersten politischen Erfahrungen in der SAJ gemacht: Erich Ollenhauer, Fritz Erler, Willy Brandt, Käte Strobel, Heinz Kühn, Marta Schanzenbach, Egon Franke... Die Nachkriegszeit bot einigen aus der proletarischen Bildungsreserve die erste und einmalige Chance, in Kommunen, Ländern oder Zeitungsredaktionen politische Führungspositionen einzunehmen. Die SPD war auf sie angewiesen, denn Akademiker und Beamte hatten mit der "Blauen-Anton-Partei" damals in der Regel wenig im Sinn.

Woher nimmt die Volkspartei SPD ihren Nachwuchs?

Das änderte sich, als die SPD wirklich zur Volkspartei wurde. In gleichem Maße ging ihr strategisches Interesse an ihrer Jugendorganisation zurück. Die SPD hatte geerntet. Aber die ständige Sorge um die "Rote Saat" ist mühsam und zuweilen lästig. Seit den 70er-Jahren lieferte die "Unteroffiziersschule" der Jungsozialisten als Partei-Arbeitsgemeinschaft mehr Nachwuchs. Aber es war nicht das Gleiche. Denn Jugendorganisationen sind nicht nur Bildungsvermittler, sondern auch "moralische Anstalten". In den Gruppen der SAJ und seit 1945 der Falken lernten Jugendliche und Kinder, was man als Sozialdemokrat tut und was man nicht tut. Oft fürs ganze Leben.

Heinrich Eppe ist Leiter des Archivs der Arbeiterjugendbewegung in Oer-Erkenschwick.

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06.09.2024, 18:00 bis 08.09.2024, 13:00

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